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Ben Lo

Auf meinem Taiji Weg habe ich viele Lehrer gehabt; die wichtigsten waren: Christel und Ben Lo, sozusagen Yin und Yang.

Ohne Christel hätte ich Taiji nie kennengelernt, ohne Christel sähe meinLeben vollständig anders aus. Über Christel hörte ich auch von Ben Lo. Der große Ben Lo. Der direkteste, engste, treueste, älteste Schüler des sagenhaften Chen Man Ching.

Christel, die Mutige, fuhr einfach hin, nach Amerika und nahm an seinem Sommercamp teil. 200 Übende aus der ganzen Welt kamen dort zusammen. Diese Camps waren legendär. Ich selbst half währenddessen, Christels Schule in Hamburg zu vertreten. Wir fieberten ihrer Rückkehr entgegen. Wir kannten das schon: Sie kam aus China, aus Hong Kong oder den USA zurück, voller Geschichten, Abenteuer, einmal sogar mit einem schönen Tibeter und jedes Mal änderte sich durch ihre Reisen etwas an ihrer Taiji Form. Wir staunten dann und lernten um und durften mitreifen mit unserer reifenden Lehrerin. Von Ben Lo kehrte sie zurück und sagte: „Der Mann ist schrecklich. Ein militaristischer Chinese, ein Menschenquäler. Ein Langweiler, ein uninspirierter, kleinkarierter Korinthenkacker.“

Großartig aber waren seine jungen, amerikanischen Hippie Schüler, die nach dem Unterricht, gegen die Empfehlung vom Meister, heimlich in den heißen Quellen baden gingen, die kifften und Lieder sangen, die mit dem Motorrad über die Küstenstraßen donnerten, die in Campern lebten, sich verliebten. Männer, die weinten, die nichts besaßen außer ihrem Rucksack und die nicht wussten, wie der nächste Tag aussah. Das war Ben Lo für sie: ihre Flucht vor ihm. Immerhin eine Sache hatte sie in dem langen, amerikanischen Sommer von ihm gelernt. Beim „Schulterstoß“ in der Taiji Form, hatten wir immer, wie sonst überall in der Form auch, geradeaus geschaut, Kopf und Bauch in Verbindung und in dieselbe Richtung gewandt. Ben Lo aber, so berichtete uns Christel, habe an dieser Stelle „so kess über die Schulter geschaut“. Das hatte Christel gefallen und also schauten auch wir ab da bei dieser Stelle in der Form kess über unsere Schulter.

Fortgeschrittene Schüler mochte Christel nicht so gerne, sie wurden zu „Taiji Experten“, wie Christel uns schimpfte. Sie war an den Anfängen interessiert. Daran, Menschen den Blick zu öffnen, den Horizont zu erweitern, sie staunen zu lassen und sie das allerselbstverständlichste neu entdecken zu lassen. So wurden diese Experten, bevor sie noch wirklich zu Experten hatten werden können, zu Lehrern oder zu Wanderern, in der weiten Welt des Taiji. Es war mein alter, treuer und leidenschaftlicher Schüler Paul, der mir begeistert von Ben Lo erzählte. Paul war alt und weise genug, um Christel zu lieben und Ben Lo zu schätzen, beides in seinem weiten Herzen, das schon bald danach aufgehört hatte zu schlagen. Heute weiß ich ein paar Dinge über Ben Lo, weiß aber nicht mehr woher. Ben Los Vater war streng, er stand den Polizeikräften in Taipeh vor. Ben Lo selbst war als junger Mann schwer erkrankt und so schwach geworden, dass er sein Fahrrad nicht mehr tragen konnte. Daraufhin vermittelte sein Vater ihn an den großen Meister Cheng Man Ching, der ja selbst auch seine Gesundheit dem Taiji zu verdanken hatte. Als Schüler von Meister Cheng Man Ching angenommen zu werden, war eine große Ehre und eine Strafe zugleich. Der Meister nahm sonst nur die besten und ehrgeizigsten Kampfkunst Enthusiasten bei sich auf. Er verlangte Dinge von Ben Lo, die für ihn einfach unmöglich waren. Der Unterricht, so erzählte Ben Lo, war kurz. Der Meister zeigte ihm ein Bild, eine Körperposition, die er einnehmen sollte und ging fort. Ben Lo stand dann alleine in einem kleinen Raum und sollte die eingenommene Haltung nicht ändern, bis sich von innen Klarheit und Stärke einstellen würden.

Die von Cheng Man Ching entwickelte Taiji Kurzform hat 37 Bilder. Bis zu dem Bild „Die Peitsche“ unterrichtete Cheng man Ching den kranken Sohn des großen Vaters. Ab da ging es nicht weiter. Als die Ehefrau des Meisters den leidenden Kranken in einer Pfütze aus Schweiß, alleine und stumm in seinem Übungsraum stehen sah, ging sie zu ihrem Mann und bat ihn um Milde für Ben Lo. „Wie soll ich ihm ein neues Bild beibringen, wenn er doch das Alte noch nicht kann“, soll dessen Antwort gewesen sein. Ben Lo hat Schläge bekommen, Kritik, Erniedrigung und schließlich… vollkommene Heilung. Er wurde der erste unter den Schülern des Meisters und dankte ihm diesen Weg mit einer Verehrung des „Professors“, so nannte Ben Lo seinen Lehrer, wie ich das nie wieder von einem Menschen zu einem anderen erlebt habe. Der Professor war für seine Schüler kaum je als Lehrer da. Er ließ die Schüler in der Übungshalle ihre Position einnehmen und erlaubte nicht, dass sie sich regten. Dann setzte er selbst sich hin und las Zeitung. Wenn einer der Schüler umfiel, sollten andere ihn hinausschleppen. Wer die innere Kraft zum Stehen nicht fand, war es nicht wert unterrichtet zu werden. Die Schüler wussten: Er zeigte jedes Bild nur ein einziges Mal. Dabei nahm der Meister selbst die Körperhaltung ein, die die Schüler später verinnerlichen sollten. Sie hatten kurz Zeit zu schauen, dann ging der Meister fort und sie sollten das Gesehene üben.

Da die Schüler erlebt hatten, dass nachher keiner mehr wusste, wie der linke Fuß gestanden hatte, wo das Knie und wo die Schulter gewesen waren, so teilten sie den Körper des Meisters untereinander auf . Und als dieser das nächste Bild zeigte, guckte jeder der Schüler nur auf das Körperteil, das ihm zugewiesen war. Gemeinsam bauten sie dann das Geschaute nachher wieder zusammen und versuchten so, den geheimen Körpercode des Meisters zu entschlüsseln, der ihn so unangreifbar und überlegen machte. Später, als Ben Lo unter den Schülern schon als Eingeweihter galt, schlossen ihn einmal die jüngeren Mitschüler in einer Kammer ein und wollten ihn zwingen, die Geheimnisse preis zu geben, die er von Cheng Man Ching sicher schon anvertraut bekommen hatte. „Lies die klassischen Texte. Stehe in Stille und warte bis die Krankheit und Schwäche Dich verlässt und Stärke in Dir spürbar wird. Übe täglich.“ Mehr wusste Ben Lo auch nicht… selbst dann nicht, als er schon viele tausend Schüler unterrichtet hatte. Irgendwann verließ Cheng Man Ching seine Heimat um nach Amerika zu gehen. Dort war er unter den Ersten, die das Taiji in den Westen brachten. Er wurde auch von seinen amerikanischen Schülern sehr verehrt. Ben Lo verachtete die westliche Freundlichkeit, mit der Cheng Man Ching in den USA unterrichtete. Cheng Man Ching schien die Gabe gehabt zu haben, auf sehr unterschiedliche Arten zu unterrichten: die chinesischen Schüler traditionell chinesisch und die westlichen Schüler so wie Westler es nehmen können. Außerdem scheint er seine Schüler auch sehr individuell und jeden nach seiner Art unterrichtet zu haben.

Ich selbst habe ein paar direkte Schüler von Cheng Man Ching treffen dürfen und in allen schwang noch ein Strahlen nach, das von dem großen Meister auf sie übergegangen war. Ben Lo führte nach der Abreise des Professors dessen Schule in Taiwan weiter. Er war inzwischen eine anerkannte Kampfkunst-Größe, er war selbst ein respektierter und strenger Lehrer geworden. Nach ein paar Jahren kehrte Cheng Man Ching auf einen Besuch an seine alte Schule zurück. Ben Lo holte seinen Meister vom Flughafen ab und noch in der Gangway wollte Cheng Man Ching sehen, ob sein Schüler in der Zwischenzeit fleißig gelernt hatte. Er forderte Ben Lo auf, mit ihm zu pushen und kaum, dass sie sich berührt hatten, flog Ben Lo in hohem Bogen gegen die Wand und rutschte äußerlich geprellt und innerlich geknickt wieder zurück auf den Boden. Er bat seinen Meister, ihn aus der Schule zu entlassen. Er wollte mit dem Taiji aufhören, weil er offenbar in all den harten Lehrjahren überhaupt nichts gelernt hatte. Das erstaunte den Meister: „Nein“, sagte er, „Du hast große Fortschritte gemacht. Als ich ging, brauchte ich nur 15% meiner Energie um Dich zu pushen und jetzt sind es schon 30%.“ Wieder eine Weile später überraschte Cheng Man Ching seinen Schüler mit der Aufforderung nach Amerika zu gehen und an der Westküste eine Schule aufzumachen. In dem Postamt, auf dem Ben Lo seinen Brotjob machte, hatte er niemandem von seinem Taiji erzählt. Jetzt holte er das nach, kündigte und folgte dem Wunsch seines Meisters. Er eröffnete eine Taiji Schule in San Francisco. Später reiste er aber auch in alle Welt, um Workshops zu geben.

Ben Lo kam auch regelmäßig nach Holland. Dort hatte ein Koch, der eine Zeit lang bei Cheng Man Ching gelernt hatte, nebenbei holländischen Kampfenthusiasten die Taiji Form beigebracht. Als er wieder nach Taiwan zurückkehrte, ließ er eine Gruppe von Schülern zurück, die sich zur „Stichting Taijiquan Nederlands“ formierten. Sie laden seit dem alle Cheng Man Ching Schüler nach Holland ein, die sie für Workshops gewinnen können. Auf diese Weise kam Ben Lo immer einmal im Jahr für eine Woche in ein Kloster in der Nähe von Amsterdam. Der Unterricht bestand im Wesentlichen darin, uns in den verschiedenen Bildern der Taiji Form stehen zu lassen. Mir ging das sehr gegen mein Wesen und gegen meine Gewohnheit. Ich wollte ausweichen, entspannen, der Schwierigkeit aus dem Weg gehen. Nichts von dem wurde von Ben Lo geduldet. Ich fand dieses Stehen idiotisch, es war stupide und unglaublich anstrengend. Die Schultern brannten, die Beine zitterten, der Körper schwitzte und mein Geist rebellierte. All das nur, weil dieser menschenfeindliche Meister es uns befahl. Ich hatte wohl gesehen, dass Ben Lo etwas hatte, was mir fehlte. Er wusste, wie die Bilder der Form wirklich aussahen, wo Schulter, Arm und Hand ihren Platz hatten. Bei ihm war das unglaublich klar zu sehen und es schien einfach zu sein. Also stand ich, weit über das Limit hinaus, das ich für möglich gehalten hätte. Am dritten Tag wurde es plötzlich dunkel um mich, ich spürte mich an den Boden sinken und das Bewusstsein schwinden. So etwas war mir noch nie zuvor passiert. Man brachte mich auf mein Zimmer.

Als ich wieder erwachte, brauchte ich lange, bis ich begriff, dass ich nicht nur den Nachmittag, den Abend und die ganze Nacht verschlafen hatte, sondern auch noch den Vormittag dazu. Mir fehlte ein ganzer Tag. An einem der Abende zeigte Ben Lo ein paar Filme. Wir sahen Cheng Man Ching. Die Filme waren amateurhaft und in schwarz weiß gedreht, aber da sahen wir den Meister unseres Meisters. Er schien die Schüler kaum zu berühren und schon flogen sie durch den Raum. Ben Lo kommentierte diese Filme nicht. Später einmal brachte Christel eben diese Filme aus Amerika mit. Sie sagte uns, dass sie uns nicht verraten dürfe, von wem sie die Kassette bekommen hätte. Für mich wurde dieses VHS ein Heiligtum. Für diese Kopie einer Kopie einer Kopie kaufte ich mir einen Videorekorder mit Einzelbild- Schaltung und wurde so direkter Geheimschüler des großen Cheng Man Ching. Später einmal rutschte mir Ben Lo gegenüber heraus, dass ich eine Kopie dieser Filme besäße. Ben Lo blitzte vor Wut und wusste auch gleich aus welcher Quelle diese Filme gekommen sein müssten. Eigentlich, so erklärte er mir, könnte man diesen Film nur direkt von der Witwe Cheng Man Chings erwerben. Der Film würde 1000,- US Dollar kosten und man müsse ein Gelübde ablegen, den Film nicht zu kopieren. Nachdem wir also auf Ben Los Workshop die Cheng Man Ching Filme gesehen hatten, zeigte er auch noch einen Film von einem großen, groben Chinesen, der in unglaublich kurzer Zeit unglaublich viele weiß gekleidete Schüler in der Gegend herum schubste. Ich fand den Film unangenehm und hatte keine Ahnung, wozu wir uns das angucken sollten. Später erfuhr ich, dass die besagte Witwe des Professors Sorge gehabt habe um das geistige Erbe ihres Mannes. Überall in der Welt entstanden Cheng Man Ching Schulen, aber ohne Zusammenhalt oder Kontrolle über die Treue der Inhalte. Also entschied sie, sehr chinesisch, alle direkten Schüler ihres Mannes sollten sich bei ihr einfinden und im Push hand gegen einander antreten. Der beste unter ihnen sollte dann von den anderen als Stammhalter anerkannt werden. Das Treffen fand statt und tatsächlich soll Ben Lo der Stärkste unter ihnen gewesen sein… mit einer Ausnahme: Master Huang aus Malaysia konnte, selbst wenn er nur auf einem Bein stand, Ben Lo pushen und ihn besiegen. Das muss ein harter Schlag für Ben Lo gewesen sein, dessen Welt sehr davon gelebt hatte, der Beste zu sein. Damals in Taiwan in des Professors Schule war Ben sogar Huangs Lehrer gewesen und hatte ihn in die Anfänge des Taiji eingewiesen. Immerhin, als ein Zeichen seiner Treue der Witwe gegenüber und als Anerkennung seiner Niederlage, zeigte Ben Lo seit dem immer diesen Film von Master Huang, wie der seine weiß gekleideten Schüler pusht, auch wenn wir alle nie begriffen, wozu wir das anschauen sollten.

Am Abend nach dem Unterricht entstand ein Gespräch zwischen Ben und mir. Ben meinte, ich hätte doch jetzt schon mal einen kleinen Anfang gemacht. „Oh, einen Anfang? Wie lange meinst Du denn das ich schon übe?“ Ich war stolz auf meine knappen 10 Jahre fleißigen Übens. „Vielleicht ein, höchstens 2 Jahre“ antwortete Ben. Eine Stimme sagte mir: Er will Dich nur ärgern, und eine andere Stimme wusste: „Er hat Recht, du fängst jetzt erst an.“ Ben Los Fähigkeit zu pushen war geradezu übernatürlich. Eigentlich unterrichtete er gar kein Push hand, sondern er pushte mit jedem, der das wollte, während alle anderen herumstanden, um zu sehen, zu staunen, zu lachen und nicht zu begreifen. So eine Push hand Begegnung hatte zwei Phasen. Die erste Phase dauerte nur wenige Sekunden, ich möchte sie mal die „Diagnose“ nennen. In dieser Zeit sah die Begegnung der beiden ähnlich aus, wie das auch sonst beim Push hand aussieht. Die Kontrahenten berühren sich leicht, bewegen sich katzengleich wie in einem gemeinsamen Tanz, jeder spürt nach der Erdung und den Widerständen des anderen. Dann folgte Phase zwei, die ich „das Mantra“ nennen möchte. Plötzlich pushte Ben Lo sein Gegenüber, jeden auf eine ganz individuelle Weise und wiederholte diesen Push dann ein Mal und wieder und immer wieder.

Als ich das erste Mal Ben Lo gegenüber stand, begann das Pushen sehr faszinierend. Sein Körper hatte eine unglaubliche Leichtigkeit und trotzdem eine Art eigener Gravitation von unveränderbarer Bestimmtheit. Geradezu hypnotisch war der Blick in seine Augen. Das eine Auge war blau, das andere braun. Etwas, das ich nie sonst gesehen habe: Seine Iris hatte einen Innen- und einen Außenring. Der blaue Außenring hatte einen braunen und der braune einen blauen Innenring. Noch bevor ich die Zeit hatte, das wirklich zu begreifen, flog ich auch schon. Ich landete mit dem Po auf dem Boden, beide Beine ausgestreckt, die Arme aber immer noch erhoben zum Kampf. Was für eine seltsame Position! Die Umstehenden feixten schon. Ich stand wieder auf und kehrte zu Ben Lo zurück. Ich hatte ihn noch kaum berührt, als ich schon wieder flog und… durch etwas, das ich mir nicht erklären konnte, in derselben, unmöglichen, komischen Position landete, aus der ich eben erst aufgestanden war. Wollte mir Ben Lo damit etwas sagen? Dass meine Beine zu steif seien? Ich versuchte beim nächsten Mal, die Beine so elastisch und durchlässig wie möglich zu machen. Wieder landete ich in genau derselben Position wie die Male zuvor. Ich änderte alles, was mir einfiel: mal hart, mal weich, mal kämpferisch, mal ergeben. Ich fühlte mich wie verzaubert. Wie konnte Ben Lo so eine Macht über meinen Körper haben, dass ich noch nicht einmal mehr Einfluss auf die Art meines Fallens hatte?

Die anderen lachten. Aber es erging keinem besser als mir. Mir fiel es schwer, seine Partner, die teils bekannte Kampfkunst-Lehrer waren, so dauerhaft hilflos immer wieder auf dieselbe Weise fliegen zu sehen. Wenn Ben Lo eines wirklich konnte, dann: Egos knicken! Als besonders eindrucksvoll habe ich seine erste Begegnung mit einer mehrfachen Judo Europa- Meisterin in Erinnerung. Ich kannte sie gut. Ben Lo aber wusste nichts über diese neue Schülerin und begegnete ihr wie jedem anderen Push hand Partner auch. Er merkte sofort, dass er es hier mit einer Ausnahme-Athletin zu tun hatte. Miriam hatte beim Jodo gelernt, unglaublich schnell und konsequent auf Bewegungen zu reagieren. Also täuschte Ben Lo schon nach wenigen Sekunden seine Bewegungen nur noch an. Auf diese Weise wehrte sich Miriam gegen Angriffe, die gar nicht stattfanden. Sobald sie das begriffen hatte, ging sie auf seine Finten nicht mehr ein. Jetzt allerdings wurden aus dem, was Miriam für Finten hielt, wirkliche Angriffe und aus dem, was sie für Angriffe hielt, Finten. Schließlich stand Ben Lo nur noch da und berührte sie gar nicht mehr. Aus kurzer Entfernung deutete er die Bewegungen eines Schlangen-Beschwörers vor ihr an und Miriam torkelte wie eine Betrunkene und tapste ins Leere. Beide lachten. Es war faszinierend und beängstigend. Ich habe ein ganzes Jahr lang an meinem „Mantra“ geübt. Ich habe gelernt in Stille zu stehen, was mir extrem gegen mein Wesen und meine Gewohnheit ging. Unter Druck wollte ich ausweichen, mich entziehen, entspannen. Im stillen Stehen aber hieß es, all das Unerträgliche einfach nur zu spüren, äußerlich unverändert zu bleiben und nach innen loszulassen. Wenn man eine Weile in einer stillen Position steht, entsteht eine Anstrengung.

Die Muskeln, die den Körper zu tragen haben, erhöhen ihren Tonus und unbemerkt vom Übenden, aktiviert er die Gegenspieler des arbeitenden Muskels mit. So beginnt man also gegen sich selbst zu kämpfen. Eine Spirale aus immer größer werdender Anstrengung und Gegen-Anstrengung. Das Ergebnis ist dann entweder der totale Zusammenbruch oder der Beginn inneren Friedens. Die innere Blockade löst sich, die gegeneinander arbeitenden Muskeln geben sich frei und plötzlich wird das, was eben noch absolut unerträglich war, mühelos und leicht. Ich begann diese Übung in der allerbescheidensten aber zugleich auch in der ehrlichsten Variante. Ich stellte mich allein in meinen Übungsraum, nahm eine einfache Position ein und erlaubte mir kein inneres Entweichen. Nach 3 Minuten schon war ich total erschöpft, ging in die Badewanne und danach ins Bett. Als ich mit dem Stehen vertrauter war, habe ich früh morgens im Park geübt. Amseln um mich und Herbstlaub, die Augen geschlossen, die Welt versank, bis ich schließlich innerlich immer noch strömend und glücklich nach Hause ging. Jahre später hatte ich einen Schüler, dessen Freundin Fotografin war. Sie hatte in dieser Zeit das Erwachen des Tages fotografiert und von Ferne, ohne dass mir das aufgefallen war, das schöne stille Stehen im Morgennebel fotografiert.

Ein anderes Mal, im Winter, ging ich in so vollständiger Dunkelheit an den Weiher zum Stehen, dass ich meinen damaligen Klosterschüler nicht sehen konnte, der dort schon stand, ich konnte ihn aber atmen hören. Als es während des Stehens heller wurde, entdeckte ich, dass noch zwei andere Schüler mit uns gestanden hatten, von deren späterem Kommen ich gar nichts bemerkt hatte. Die schwierigste Aufgabe beim Stehen ist: den Frieden zu wahren und nicht in Kampf, Ehrgeiz und Selbst-Unterdrückung zu geraten. Wir machten auf einer mittelalterlichen Wehrfinka auf Mallorca Ferien. Hier hatten sich früher die Bauern gegen Seeräuber geschützt. Innerhalb dieser riesigen, äußeren Mauern löste ich innere Mauern auf. Mittags habe ich immer eins unserer Kinder auf den Armen in den Schlaf gewiegt. Den Mittagsschlaf über stand ich dann in einer größer werdenden Pfütze aus Schweiß, die Fenster offen, die Grillen zirpten draußen. Der Frieden des schlafenden Kindes half mir, den Kampf in den eigenen Muskeln zur Ruhe zu bringen. Lächelnd, hellwach, wie im Traum. Ich weiß nicht, warum ich mich auf diesen strengen und harten Lehrer einließ. „The sergeant of Tai Chi“ nannten sie ihn in Amerika. Mit allen männlichen Autoritäten aus meiner Welt war ich im Widerstand und jetzt lernte ich bei diesem Chinesen, der weit gnadenloser und herablassender war, als alle Männer, von denen ich fortgelaufen war.

Ben Lo gab meinem Taiji neuen Halt. Ich war im Widerstand mit ihm als Person, mit seiner Lehre in meinem Körper und trotzdem war ich voller Inbrunst beim Lernen. Es war auch die Zeit, in der ich in Hamburg alle Taiji-Lehrer-Kollegen, die ich zu fassen bekam, besuchte, um mich mit ihnen auszutauschen. Ich griff damit eine Vision von Christel auf, die zwar die Kraft hatte sie zu denken, aber nicht die Lust sie umzusetzen. Auf der Brüstung meines Balkons sitzend, tippte ich die Vision eines Zusammenschlusses austauschfreudiger Taiji Freunde in meinen Toshiba T 1000, ein Manifest für Spieler, die bereit sind über den Tellerrand des Bekannten hinaus zu schauen, gemeinsam zu lernen und zu forschen. Heute ist daraus das „Taiji und Qi Gong Netzwerk“ geworden. Ich wagte, es Ben Lo nach Hamburg einzuladen und es kamen knapp 40 Übende, vor allem aus Hamburg, aber auch aus anderen deutschen Städten, aus der Schweiz und Österreich. Es war ein großes organisatorisches, finanzielles und menschliches Wagnis. Von mir war es als Erweiterung und Bereicherung gedacht. Christel aber fasste diese Einladung als eine Infragestellung ihrer Taiji-Welt auf. Viele Übende lernten mit Ben Lo zum ersten Mal einen anderen Lehrer kennen und es gab nach seinem Workshop einiges an Widersprüchen, vieles an Bewegungen und auch Enttäuschungen und Verletzungen. Den Workshop begann Ben Lo damit, dass er ein Bein ganz durchstreckte, sich dann auf seltsame Weise beugte und sich mit beiden Händen unter die Fußsohle fasste. Er tat das langsam und demonstrativ. Dann fragte er, ob Einer von uns das nachmachen könne. Wir probierten das und es gab Niemanden, der diese Verrenkung so hin bekam wie Ben Lo. Darauf fragte Ben Lo, wer der Älteste von uns sei. Paul Fink war es und sollte sein Alter nennen. In die anschließende, erstaunte Stille hinein sagte Ben Lo dann: „Ach so, ich bin also hier der Älteste von allen“ – denn er war noch älter als Paul – „und der Beweglichste, interessant.“ Dann bat er uns, unsere Taijiform zu laufen. Etwas nervös liefen wir zusammen unsere Form. Wir liefen die Form voller Hingabe und so gut wir es konnten. Für viele von uns war die Taijiform ein Herzstück unseres Lebens geworden. Ben Lo schaute sich die ganze Form an. Erst schwieg er und fragte dann: „Was ist das für eine Form, die ihr da lauft?“ Ganz naiv antworteten wir: „Das ist die Taiji Kurzform nach Cheng Man Ching. Christel hat sie uns beigebracht.“ „Nein“, antwortete Ben Lo, ohne eine Miene zu verziehen. „Das ist nicht die Taijiform des Professors.“ Einige waren verwirrt, andere gekränkt, manche begriffen nicht, was das Ganze sollte. Nach diesem denkwürdigen Vorspiel begann Ben Lo endlich den Unterricht. Hauptsächlich lernten wir, in den Positionen zu stehen. Er ging dann herum und gab den einzelnen Schülern kurze Korrekturen. Dann gab es seine Erklärungen, bei denen wir im Halbkreis herumstanden und versuchten zu verstehen, was er sagte, und schließlich gab es noch das gemeinsame Laufen der Form und vor den Pausen für die, die Spaß daran hatten, das besagte Push hand.

Ben Lo hatte aber auch eine einfache einprägsame Lehre entwickelt: Die 5 grundlegenden Taiji Prinzipien. Keiner von uns hatte zuvor von Taiji Prinzipien gehört. Uns schien das die Essenz dieser geheimnisvollen Körperkunst zu sein. Über allen Fünfen stände: die Natur! Alles im Taiji solle der Natur entsprechen. Das erste und oberste aller Taiji Prinzipien war: Entspannung. Ben Lo erklärte uns, wir sollen alle Muskeln des Körpers entspannen, erst dann sei unser Taiji vollkommen. Ein Arzt unter uns fragte mit kritischem Unterton, ob Ben Lo wirklich alle Muskeln meine. „Ja alle“ antwortete Ben Lo, gab allerdings zu, auch selbst noch daran zu üben. Sein Vergleich: Gutes Taiji sei wie vollständig betrunken zu sein. Allerdings mit dem Unterschied: Man könne beim Taiji immer noch aufrecht stehen. Tatsächlich hatte Ben Los Körper eine Konsistenz, als hätten sich seine Knochen in etwas Flüssiges verwandelt. Zwischendrin allerdings verwandelte sich sein fließender Körper in eine Art steinernen Findling, unmöglich ihn in irgendeine Richtung zu bewegen. Mit mir war er nicht zufrieden. Ich solle meinen Handrücken entspannen. Als ich ihn ratlos anschaute, zeigte er mir seinen Handrücken, der glatt und rund war, wie der eines Babys. Mein Handrücken dagegen zeigte Sehnen und Adern. Die sollte ich jetzt entspannen, bis meine Hände aussähen wie seine. Das zweite Prinzip war: Teile Yin und Yang. Für ihn bedeutete das, ganz auf einem Bein zu stehen und das andere, selbst wenn es den Boden noch berührte, vollständig entlastet zu haben und es nicht mehr für die Balance zu benutzen. Das war einfach zu verstehen aber nahezu unmöglich umzusetzen, schon allein deswegen, weil dadurch das Stehen nicht doppelt, sondern gefühlt unendlich mal anstrengender wurde. Er prüfte das im Unterricht, indem er uns aufforderte, im stillen Stehen den unbelasteten Fuß ganz leicht vom Boden abzuheben. Standen wir links, sagte er in militärischem Befehlston: „Check right foot.“ Seine langjährigen Schüler hatten aus Ben Los Chinglisch herausgehört: „Check riffle“ und das dann zum Running Gag gemacht.

Das dritte Prinzip war: Drehe die Mitte. Damit war gemeint, den Körper nicht in sich selbst zu verdrehen. Bauchnabel, Herz und Kopf bleiben in der Taijiform immer als Einheit beieinander und ergeben so ein starkes, klares Ganzes. Es geht wohl auch darum, Geist und Körper verbunden zu haben. Es ist so schwer, nicht mit dem Kopf dem Geschehen immer ein Stück voraus zu sein und damit leider nie dort zu sein, wo Du bist. Das vierte Prinzip war: Halt den Körper aufrecht. Das klingt einfach. Schon meine Mutter hatte mir gesagt: „Halt Dich gerade!“ Da ich aber nicht meine Mutter bin und mich von außen nicht sehen kann, hatte ich geglaubt, gerade zu sein… war es aber offenbar nicht. Das erste Mal wusste ich nicht wie mir geschah. Ben Lo hatte sich sehr dicht hinter mich gestellt, führte seine Hand in den verbleibenden Spalt, zwischen seiner Brust und meinem Rücken und ließ dann seine Hand blitzschnell von seinem zu meinem Körper hin und her trommeln. „Aha, der Meister trommelt, das hat bestimmt etwas zu bedeuten, aber was?“ Schließlich ging Ben Lo weiter. Bei Anderen sah ich dann, was gemeint war. Ben Lo stand aufrecht, der Schüler aber war, ohne es selbst gemerkt zu haben, vornübergebeugt. Ben Los Trommeln lies die Größe des Spalts hören und spüren. Richtete sich der Schüler auf, verstummte das Trommeln, weil die Hand zwischen den beiden aufrechten Körpern keinen freien Raum mehr hatte. Ohne also etwas gesagt zu haben, richtete das Trommeln den Schüler auf und erinnerte alle anderen daran, aus ihrer entspannten aber kollabierten Rundrücken-Haltung empor zu kommen. Ich hatte eine bestimmte Vorstellung davon, lieb zu sein. Mich leicht vor zu beugen und noch dazuhin den Kopf nach vorne zu schieben und leicht schräg zu halten, hatte mir das Gefühl gegeben, ganz und gar liebenswert zu sein. Bei Anderen sah ich erschrocken, was diese Haltung aus Menschen machte. Die kommentarlose Klopf-Methode von Ben Lo schickte mich auf einen jahrelangen, mühsamen Weg der Aufrichtung. Das fünfte und letzte Prinzip war: „Keep beautiful ladys hand.“ Cheng Man Ching, der „Professor“, hatte viele Dinge so eigen und anders gemacht als in der damaligen Tai-Chi-Welt üblich, dass er viele Bewunderer und mindestens so viele Kritiker auf den Plan gerufen hatte.

Eine deutlich sichtbare Gestalt von Cheng Man Chings Eigenheit war die von ihm eingeführte „Hand der schönen Frau“. Anstatt also die Hand wie üblich martialisch abzuwinkeln, hielt er immer eine fließende und doch gerade Linie vom Unterarm über die Hand bis zur Spitze seines Mittelfingers. Für Menschen mit Aggressionen, Ängsten und Widerständen bedeutete das, die Spannung aus ihren verneinenden Händen zu nehmen. Für die Lieben, Schlaffen, Kollabierten hieß es, die Hand zu straffen und aufzurichten. Das Ergebnis war wie so oft im Taiji, eine vollkommen unspektakuläre, im Wortsinne Baby-leichte Haltung der Hand. Es ist erstaunlich, was für eine Signalwirkung von der Handhaltung für den ganzen Körper ausgeht. Es ist fast unmöglich den Körper zu entspannen, wenn Du die Faust ballst, und es ist ebenso schwer, wach und präsent zu sein, wenn die Hände schlaff herunterhängen. Meine Hand hatte natürlich zu wenig Spannung. Zu lieb, zu kraftlos, zu entspannt.

Die Aufgabe war wie immer scheinbar einfach. Halte die Hand gerade. Bei den „Wolkenhänden“ zeigt die Handinnenfläche der oberen Hand zum Herz, während der Ellenbogen weit außen steht, eine Haltung als würde man im Tanz eine Frau eng vor der eigenen Brust führen. Dabei war jetzt darauf zu achten, die Hand in einer Linie mit dem Unterarm zu halten. Ben Lo korrigierte mich und kündigte mir zugleich an, dass ich genau denselben Fehler schon im nächsten Moment wieder machen würde. Mein Ehrgeiz war angestachelt. Diesen Gefallen würde ich ihm nicht tun. Wir übten die Wolkenhände weiter, es waren viele Schüler im Raum. Der rechte Fuß sollte den Boden vollflächig, aber ohne Gewicht berühren, der Körper aufrecht, aber ohne innere Verdrehung. Ben Lo ging durch die Gruppe, korrigierte einzelne Schüler, während wir alle in Stille standen und versuchten innerlich und äußerlich in die richtige Haltung zu kommen. Ben Lo ging in gerader Linie von vorne nach hinten durch die Schüler. Diese ganze Durchforstung fand zwei Schüler links von mir statt. Ich stand für mich, über und über mit innerer Ausrichtung beschäftigt. Plötzlich sprang Ben Lo von der Seite vor mich, strahlte mich an: „Und hab ich Dir´s nicht gesagt: Da hängt Deine Hand wieder.“ Ich hatte aber das Gefühl, alles richtig zu machen. Meine Hand war sauber ausgerichtet, wie ich es mir vorgenommen hatte. Da fasste Ben Lo mein Handgelenk und hob mir die Hand langsam vors Gesicht. Da sah ich, was er meinte. Meine Hand hing tatsächlich wie eine welke Blume herab. Was sich gerade, sauber ausgerichtet und würdevoll angefühlt hatte, bestätigte stattdessen die Wahrsagung des Meisters. Er hatte meine Schwäche besser gekannt als ich. Ben Lo lobte nie etwas, aber seine Freude an den Niederlagen seiner Schüler kam von Herzen.

Sein Unterricht war extrem anstrengend. Er knickte die Egos aller Schüler und die ehrgeizigsten, fleißigsten von ihnen, nahm er am härtesten heran. In diesen schweren Stunden gab es aber eine wesentliche Erleichterung: Ben Lo redete gerne. Die Gruppe stand dann im Kreis um ihn herum. Einige drückten sich nach hinten und sanken erschöpft zu Boden. Ben Lo erzählte oft dasselbe. Einige Dinge variierte er, andere wiederholte er immer wieder nahezu wörtlich. Chinesisches Denken ist anders. Ben Lo versuchte sich wohl in einer Übersetzung seiner Welt in unser westliches Denken, konnte allerdings das Hindurchschimmern des chinesischen Ursprungs nicht gut verbergen. Statt der traditionellen Analogien „Stehe ruhig wie der Berg“ bildete er für uns Westler Ursache-Wirkungs- Zusammenhänge „No pain, no gain“. Er gab uns sogar psychologische Erklärungen: „You must suffer.“

Besonders deutlich wurde das, wenn Schüler fragten. Er forderte uns zwar auf zu fragen, als Antworten kamen dann allerdings zumeist seine Standarderklärungen, die er sowieso schon viele Male erzählt hatte. Manchmal antwortete er einfach: „Lest die klassischen Texte“ – Das sind schwer verstehbare, quasi alttestamentarische Taiji Texte, in denen man alles oder nichts finden konnte: Gesänge über Fülle und Leere, gedichtartige Weisheiten aus einer anderen Zeit. Ein Beispiel: „Dem Heranreifen folgt allmählich das Erwachen zum Verstehen der Energie. Dem Verstehen der Energie (tung chin) folgt die Stufe der geistigen Erleuchtung. Ohne beharrliches Üben gibt es kein Durchdringen zu dieser plötzlichen Erleuchtung.“

Einzelne Sätze aus diesen Texten blitzen allerdings auf und machen unmittelbar Sinn, wie etwa „Gehe wie eine Katze“. Oder „Außen ruhig wie der Berg, innen fließend wie das Wasser.“ Auf eine besonders pfiffige Frage von mir, warum wir denn im Taiji, anders als in anderen Kampfkünsten, in der Aktion ein- und nicht ausatmen würden, wurde er für eine Weile still. Man merkte, er rang um eine gute Antwort auf eine herausfordernde Frage. Schließlich leuchtete sein Gesicht auf und er antwortete: „Because we do it that way“. Immerhin, die von uns gestellten Fragen verlängerten die Zeit seines Sprechens und das wiederum verkürzte unsere Zeit des anstrengenden Stehens. Grundsätzlich war schon Ben Los Versuch, auf unsere Fragen zu Antworten, ein großes Entgegenkommen. In der traditionellen chinesischen Welt sind Fragen von Schülern an Lehrer eine Unverschämtheit. Selbst chinesische Kinder dürfen ihren Eltern keine Fragen stellen. Umso mehr ist es anmaßend, wenn ein Schüler den Lehrer fragt. Der Lehrer weiß selbst, wann ein Schüler reif für eine Antwort ist. Wir kennen das aus unserem Militär. Wenn der Kompanieführer der Truppe ein „rechts um“ zubrüllt, wäre die Frage „Warum?“ eine Unverschämtheit. Von Cheng Man Chings Übersetzer geht die Geschichte, dass der Meister von einem Kampfkunst-Experten interviewt worden sei. Der Westler habe eine lange, verschachtelte Frage gestellt, klug und herausfordernd. Der Übersetzer habe dann dem Meister alles auf Chinesisch vorgetragen. Was er dann allerdings zurück zu übersetzen gehabt habe, sei sehr kurz gewesen: „The master says: No“.

Ben Lo hatte ein paar denkwürdige Sprüche, mit denen er unseren Taiji Weg unterstützte. Der Satz, den ich heute am häufigsten zitiere, schreibe ich in dem chinglisch, in dem Ben Lo ihn immer wieder vortrug: „Don´t tink taiji is a easy“. Obwohl mein Umgang mit den Schülern so sehr anders ist als der von Ben Lo, kommt doch auch in meinem Unterricht immer wieder der Punkt für diesen Satz. Das Gegenteil von dem, was ich im Taiji gesucht hatte, drückte Ben Lo so aus: „Go down“. Er drückte dann die zitternden Schüler, die sich vor Schmerzen schon halb aus den tiefen Ständen erhoben hatten, an beiden Schultern nach unten in die Hölle ihrer eigenen Muskeln. Was das „B L“ auf seiner Gürtelschnalle bedeute, fragte er uns. „Bend lo“. Tiefer und immer tiefer sollten wir gehen. Er hatte als Schüler gelitten und er freute sich, wenn er uns leiden sah. Es bereitete ihm eine sichtbare Lust, wenn die Schüler zu zittern begannen, wenn erst der Humor und schließlich die Selbstkontrolle aus den Gesichtern entwichen. Schmerz, Kampf, Grenzgang und Versagen, dorthin führte sein Weg. An diesem Ort allein gelassen, fanden wir das El Dorado, zu dem Ben Lo uns führen konnte. Dieser „Lo Ort“ war weit jenseits des Raumes, den ich für begehbar, aushaltbar und erlebbar gehalten hatte. Da wo die Luft zu dünn, die Welt zu heiß und zu lieblos war, da öffnete Ben Lo eine Welt, in der ich mehr entdecken sollte, als auf den grünen Wiesen des Wohlseins, zu denen ich aufgebrochen war. Für mich selbst kämpfte ich in einer Trance aus Schmerz und innerem Feuer um Frieden. Je ferner dieser Friede wurde, umso weiter wurden die Wege, die ich zu ihm hin zu finden lernte.

Danke, Ben Lo, für das Gegenteil von dem, was ich gesucht hatte. Das anstrengendste aller Bilder der Taijiform ist der „tiefe Fauststoß“. Maximal tief gebeugt, an dieser einzigen Stelle auch mit tief gebeugter Wirbelsäule, quasi demütig und dennoch innerlich aufrecht, den Blick nach vorn und beide Füße vollflächig am Boden. Diese Stellung konnten viele gar nicht und manche nur für Sekunden einnehmen. Ich hatte zu diesem Workshop eingeladen. Alle Teilnehmer hatten an mich gezahlt, ich hatte alle begrüßt und Ben Lo vorgestellt. Ich konnte, darauf war ich mehr als stolz, ich meinte, ich könnte diese Stellung halten. Und tatsächlich, alle standen tief und leidend in diesem schwierigen Bild: Da kam Ben Lo, kam zu mir und fand offenbar nichts, was er kritisieren konnte oder wollte. Ich zerbrach fast vor innerem Kampf. Es ging darum, alles innerlich perfekt auszurichten und dem ständigen Schrei nach Erlösung, Entspannung, Entlastung Stand zu halten und in dem Bild zu verweilen. Ben Lo kam, legte seine Hand auf meinen Rücken. Er kritisierte nichts! Konnte das wahr sein? Ich hatte etwas in den Augen des Meisters richtig gemacht? Glücklich und total erschöpft wollte ich mich endlich erheben, aber nein… Ben Lo rief die Schüler zu sich. Alle versammelten sich um mich in meinem Kampf und Ben Lo begann in seiner langatmigen Weise darüber zu dozieren, wie Entspannung die Grundlage für alles Weitere sei. Dabei stützte er sich tatsächlich auf meinem Körper ab, als sei ich eine Statue, die als Beweis seiner Thesen in Marmor gehauen vor dem Publikum stünde. Er fragte, ob noch Fragen zu fragen seien. Ich stand und etwas in mir legte den Schalter um und befreite mich von individuellen Entscheidungen. Jetzt war nur noch die Frage, ob das Bewusstsein mich wieder verlassen würde, wie am dritten Tag nachdem ich Ben Lo kennen gelernt hatte. Ich stand und die Welt um mich her verschwand und vereinfachte sich zu einem Ringen zwischen meinem Meister Ben Lo und der Kraft in mir, die sich nicht beugen lassen, nicht erniedrigen lassen wollte. Ich nahm wie von Ferne wahr, dass gesprochen wurde. Es wurde gelacht. Schließlich nahm die Konzentration der Gruppe ab. Es gab keine Fragen mehr. Ben Lo stützte sich nicht mehr auf mich. Man beachtete mich nicht weiter. Die Gruppe kehrte zurück zum Unterricht. Ich richtete mich langsam wieder auf, äußerlich unbeachtet und innerlich ungläubig, aber als Sieger über den Kampf mit dem Ego-Brecher und großen Lehrer Ben Lo.

Ben Lo war stolz darauf, dass er einmal 200 Schüler in einem Workshop gehabt hätte. Eine Woche später waren nur zwei Schüler übrig geblieben. Die anderen habe er weggeschickt. Sie seien von selbst gegangen, seien krank geworden, wären zusammengebrochen. Für die verbliebenen zwei aber hätte sich all das gelohnt. Einmal hatte Ben Lo begeistert von einem Film erzählt, den er im Fernsehen geschaut habe: Der große Flamenco Gitarrist Paco de Lucia hätte Schüler angeschaut, die sich darum beworben hätten, bei ihm zu lernen. Alle diese Bewerber waren bereits bekannte Gitarrenspieler, Professoren oder Pop Stars. Paco hätte sie alle gleichermaßen auf einem Stuhl Platz nehmen lassen, um sich dann etwas vorspielen zu lassen. Immer wieder habe er aber die Anwärter, als sie die Gitarre nur ansetzten, bereits wieder fort geschickt. Keinen einzigen Ton hätten diese Menschen spielen dürfen, bevor sie der Meister abwies. Das hatte Ben Lo gefallen.

Für mich stellte sich der Kampf so dar: Ich rang für die Liebe und gegen Ben Lo. Auf eine Weise hatte ich Christels Welt verraten, indem ich Ben Lo in ihre Welt, hier nach Hamburg, geholt hatte. In Ben Los Welt aber versuchte ich Christels Welt zu verteidigen. All das innerhalb meines Körpers. Christels Schüler aber, die aufgebrochen waren, um sich aus den Fesseln des Patriarchats zu befreien, die loslassen wollten, entspannen, vertrauen, die sah ich jetzt den Worten des von mir gerufenen Meisters folgen. Ich schaute während des Unterrichts bange nach denen, die Liebe mit Ehrgeiz verwechselten, die der Autorität des Meisters folgten und mit seiner Strenge gegen ihre schwachen Gelenke angingen. Ben Lo forderte das Unmögliche möglich zu machen. Es gab Schüler, Mitschüler von mir, die bis ins Unmögliche gelangten und dort gefangen blieben. Entwertet, überlastet und dann nicht weiter beachtet. In den Pausen nahm ich die Schüler heimlich beiseite und bat sie um das Gegenteil von dem, was der Meister lehrte, allerdings auch um das Gegenteil von dem, was ich selbst bei ihm lernte. Noch Monate später erzählten mir Teilnehmer davon, wie ihre Knie durch diesen Workshop überreizt worden seien und dauerhaft schmerzten. Ben Lo hätte das eigentlich mitbekommen müssen. Aber er interessierte sich weder für die, die zu schwach waren, noch für die, die sich mit den Schwachen abgaben. Ich fragte ihn, ob er auch Einzelstunden gäbe. „Ja“, antwortete er, aber es gäbe eigentlich kaum Schüler, die eine Einzelstunde bei ihm aushielten. Da er während des Workshops bei uns zu Hause wohnte, bat ich ihn doch einmal darum, mir etwas zu zeigen: „Was ist damit gemeint, die Arme durch Entspannung innerlich zu kräftigen?“

Beim „Qi Wecken“ halten wir die Arme rechtwinklig nach vorne ausgestreckt. Die Arme sind dabei nur ganz leicht gebeugt und irgendwie sollte sich in dieser Position innere Kraft entwickeln. Ben Lo stellte sich neben dem Esstisch auf, nahm die Position des Qi Weckens ein, streckte die Arme und forderte mich auf, an einem seiner Arme einen Klimmzug zu machen. Ich hatte Mühe einen sauberen Klimmzug hin zu bekommen. Ben Lo aber hielt seinen Arm ruhig und gelassen, als hätten meine Anstrengungen nichts mit ihm zu tun. Später einmal, bei einem Workshop in Holland, erzählte Ben Lo, dass der „Vogelkopf“, eine Handhaltung, bei der alle 5 Fingerspitzen wie bei einer geschlossenen Blüte aneinander liegen, eine gefährliche Waffe sei. Wir hatten damals einen Kampfkunsterfahrenen Karateka aus Israel in der Gruppe. Er war schweigsam, muskulös und hatte eine martialische Ausstrahlung. Dieser Mann fragte herausfordernd nach der Wirkung des Vogelkopfes. Ben Lo winkte ab. Wir standen alle umher und der Mann provozierte Ben Lo, hielt ihm seinen kräftigen Kämpferarm ausgestreckt hin und forderte Ben Lo auf, ihm einen Schlag zu verpassen.

Schließlich ließ sich Ben Lo überreden, bildete den Vogelkopf und schlug mit einer lässigen und unauffälligen Bewegung mit seinem lockeren, sandsackartigen Fingerknäul gegen den sehnigen Kämpferarm. Irgendwie waren wir enttäuscht. Der Kämpfer sagte nichts und zog den Ärmel seines Hemdes über die getroffene Stelle am Unterarm. Die Schüler verstreuten sich. Am nächsten Tag zeigte mir der Geschlagene seinen Arm. Ich fand eine kräftige Schwellung und einen blauer Fleck, der sich ganz um den stämmigen Arm herum gebildet hatte. Als die Woche um war, ließ Ben Lo uns feierlich im Kreis stehen. Alle, die bereits den zweiten Workshop bei ihm mitgemacht hatten, sollten den Arm heben, dann den Arm nach vorne srtecken, die Hand öffnen und so halten. Dann ging er herum, tat in jede dieser Hände etwas Kleines hinein und drückte uns die Hand gleich wieder zu. Wir durften die Hand noch nicht öffnen. Dann stand er, standen wir, still und stolz und strahlend. Er erlaubte uns, jetzt in unsere Hände zu schauen. Es war eine winzige, metallische Anstecknadel. Mit guten Augen konnte man darauf erkennen: UTCCA.

In Deutschland gab es eine fragwürdige Taij Organisation, sie hatten in allen deutschen Großstädten Vertreter ihrer Schule, die aber keinen Kontakt zu anderen Taiji Übenden haben durften. Deren Verband nannte sich ITCCA: International Tai Chi Chuan Association. Wir dagegen gehörten jetzt zur Universal Tai Chi Chuan Association. Die Nadel war lächerlich und doch auch seltsam bedeutend. Was Ben Lo in mir sah, kann ich nicht sagen. Immer wenn er im Unterricht zu mir kam, fand er etwas zu kritisieren. An ein Lob kann ich mich nicht erinnern. Aber einmal, ich war ihm nach Schweden nachgereist, wo er in einem Zen Kloster unterrichtete, bot er sich nach dem Unterricht wieder zum Pushen an. Für mich war eigentlich nur die Frage, ob er mir dasselbe Push Mantra geben würde wie im letzten Jahr oder ein Neues. Wir begannen zu pushen und nach 3 und 5 und 10 Sekunden, geschah… kein Push, kein Mantra, sondern wir pushten wirklich. Was für ein Glück! Wir pushten tatsächlich. Das Spiel war voller Überraschungen und schöner, für mich unbekannter Wendungen. Einmal erwischte er mich mit großer Macht und schleuderte mich mit der Energie meines Angriffs an sich vorüber und ich hätte wohl hinter ihm auf dem Boden landen sollen. Stattdessen und in der Freude am Spiel, schaffte ich es, in einem engen Bogen hinter ihm herum zu kreiseln und fast in dem Moment des Wurfes noch von der anderen Seite wieder vor ihm aufzutauchen. Das kam für uns beide so überraschend und irgendwie schön, dass wir beide lachen mussten. Das war sicherlich keine überragende Kampfkunst, aber eine so eigenwillige und originelle Anwendung der Taijji Prinzipien, dass Ben Lo sie einfach gelten ließ. Vor seiner Abreise nahm mich Ben Lo zur Seite. In einem beiläufigen Ton bot er mir etwas an, das wahrscheinlich mein Leben in eine andere Bahn geleitet hätte. Er bot mir an, der Vertreter seiner UTCCA in Deutschland zu werden. Ich habe später Westler getroffen, die so eine Verbindung zu einem chinesischen Lehrer eingegangen waren, die darauf ihren Meister auf Reisen durch China begleitet hatten, eingeführt worden waren in die inneren Zirkel der direkten Cheng Man Ching Schüler. Ich aber lehnte ab. Ich wollte frei bleiben.

Ich war sehr dankbar für das, was ich bei Ben Lo lernen durfte. Sicher hätte ich noch viel mehr lernen können. Aber ich hätte dann den eigenen Weg nicht mehr gehen können, den ich in den folgenden Jahrzehnten sehr angeregt durch Ben Lo gegangen bin. Eigentlich aber, war Ben Lo auf der Suche nach Schülern, die er ganz nach vorne bringen konnte. Im Push hand gibt es Wettbewerbe und er war sehr stolz darauf, dass die Sieger in den USA in der Regel aus seiner Schule kamen. Ich selbst bin kein Gewinner-Typ, aber ich hatte eine Schülerin, die ganz außergewöhnlich war in ihren Fähigkeiten und ihrem Charakter. Karina war eine polnische Tänzerin, die mit ihrem damaligen Freund nach Paris trampen wollte, wo sie auch ohne Geld, einfach nur durch Leidenschaft und Offenheit hoffte, ihren Weg in die große Tanzwelt zu finden. Von Hamburg nach Bremen aber machte sie einen folgenschweren Schritt: Sie stieg bei meiner Lehrerin Christel ins Auto ein. Es braucht etwas länger als eine Stunde, um mit dem Auto über die A1 nach Bremen zu fahren, und diese Zeit reichte aus, um Karina für den Tanz des Taiji zu interessieren. Einen alten Kampftanz, der codiert taoistische Weisheiten in den Körper prägt, der Friedfertigkeit und Kampf verband, und der den Suchenden dorthin führte, wohin so viele wollten: zu Christel. Karina lebte bei Christel, half ihr im Haushalt, reiste mit ihr, wurde ihr Schatten, ähnlich wie ich das über lange Zeit gewesen war. Christel führte Karina und mich zusammen. Sie war zierlich, ihr Händedruck war erschreckend substanzlos, ihr Körper schien beliebig formbar, wissbegierig, begabt und vollkommen unbeschrieben von Kampfkunst. Christel bat mich, Karina in die Kunst des friedlichen Kampfes einzuführen. Es war, als hätte sich durch glückliche Fügung eine neue vulkanische Insel aus dem Meer erhoben. Der Boden unendlich fruchtbar und noch ganz ohne Bewuchs, Kultur und vor allem ohne Fehlzüchtungen und überdüngte Böden.

Sie saugte das Kämpfen in einen Körper, der eher zum Schweben, am ehesten noch zum Entschweben geeignet schien. Die Entdeckung der Erde und der Verwurzelung waren ihr so neu, wie einem Maulwurf der Himmel. Sie lernte begabt und begeistert und als Ben Lo sie zum ersten Mal sah, klickte ein Schicksals-Schloss zu. Ben Lo wollte und suchte die Besten und Karina wollte zur Besten gemacht werden. Im Handstreich raubte mir Ben Lo meine begabteste Schülerin und sie ging fast ohne Adieu zu sagen. Zwei Jahre später sah ich sie wieder. Sie besuchte mich in meiner Wohnung, wir saßen hinten in der Loggia bei grünem Jasmintee. Sie erzählte begeistert und war tatsächlich in Rekordzeit zum Champion in ihrer Gewichtsklasse geworden. Wir rückten die Stühle zur Seite und kämpften auf den Steinfliesen. Zu ihrer Beweglichkeit und feenhaften Durchlässigkeit hatten sich eine zähe Elastizität und eine geradezu unglaubliche Standfestigkeit gefunden. Die einzige Möglichkeit, die ich noch fand, sie zu pushen, führte dazu, dass sie mit dem ganzen Rücken gleichzeitig auf die Steinfliesen krachte. Ihre Füße aber hatten sich dabei nicht von der Stelle bewegt. Meine Füße dagegen waren durch die Dramatik der Situation, noch bevor ihr Rücken den Boden berührte, ein Stückchen nach vorne gerutscht. Nach den Spielregeln, nach denen sie zu Kämpfen gelernt hatte, wäre der Punkt an sie gegangen. Später, so habe ich gehört, hat die Siegerin auch Ben Lo und das Push hand verlassen und ist Gurina geworden. In großer Leibesfülle sitzt sie auf einem Kissen und empfängt ihre gläubigen Anhänger, die niederknien und ihren Segen empfangen.

Der erste große Knick in Ben Los Welt war wohl der verlorene Kampf gegen Master Huang gewesen. Später aber hörte man, dass Ben Lo krank gewesen sei und sich einer großen Operation unterziehen musste. Dem Meister der harten Wege musste die Niere transplantiert werden. Nach chinesischer Auffassung ist die Niere der Speicherort für all die gute Lebensenergie, die man durch richtiges Leben in sich ansammelt. Das letzte Mal, dass ich Ben Lo persönlich getroffen habe, war in Frankreich. Schüler hatten ein internationales Treffen zur Ehrung des großen Meisters Cheng Man Ching veranstaltet. Viele seiner inzwischen alten, direkten Schüler waren angereist. Nie hatte man diese eigenwilligen, von unglaublichen Geschichten umrankten Lehrer alle beieinander erleben können. Die europäischen Schüler hatten es sogar geschafft, eine Podiumsdiskussion zwischen den Meistern auf der Bühne und den Schülern auf den Bänken der Aula zu veranstalten. Die Veranstaltung an sich war naiv, weil die Begegnungen zwischen chinesischen Lehrern und Schülern nicht den Charakter von Gesprächen haben. Beide Seiten waren bemüht und doch war es eher eine Demonstration von kulturellen Kommunikations-Problemen. Eine wesentliche Antwort gab es aber doch und zwar auf die Frage aus dem Publikum, wie wichtig es eigentlich sei, in einem der Turniere zu gewinnen. Es meldete sich Ben Lo zu Wort, alt geworden, scheinbar geschrumpft um das Qi seiner Niere. Als Antwort gab er einen einfachen, selbstverständlichen Satz, der aber aus dem Munde dieses Mannes deutlich machte, dass sich sein Karma-Rad, wohl unter großer Last, aber dennoch, gedreht hatte.

Ben Lo sagte: „Es ist gar nicht wichtig, ob Du der Beste bist. Wichtig ist, was Du in dir fühlst.”

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